Dauerausstellung
Alpinarium Galtür
In Ganz oben lauschen die Besucher mit allen Sinnen Beziehungsgeschichten. Über Menschen, die von hier aus hinaus in die Welt zogen. Über jene, die von weit draußen das Dorf im Tal entdeckten. Ist Galtür Anfang, Ende, Mitte der Welt? Die Position liegt im Auge des Betrachters. Je nachdem, wo dieser sich gerade befindet, eröffnet sich ihm der Blick nach draußen oder er fokussiert sich auf ein Innen. Holzer Kobler Architekturen erzählen diese Geschichten in Bildern, Tönen, animierten Verwandlungen. Sie laden mit Ganz oben ein, sich einzulassen auf eine spannende Reise ins Tal, auf Berge, in ferne Lande und Zeiten.
Ohne Anfang und Ende ist dieser Raum. Hier wandelt der Besucher, begleitet von Lichtschlangen, auf den Spuren des Ortes. Aus dem Meer gestiegen formten sich die Berge, wurden den Walsern zum Lebens- und Siedlungsraum. Immer wieder folgten Menschen dem Ruf der Welt – und der Not: als Pilger, Soldaten, Schwabenkinder, Schmuggler, bis mit dem Tourismus die Welt nach Galtür kam. Als eigensinnigstes Feriendorf stellte sich der Ort in den 90-er Jahren dar. Der Eigensinn stand übrigens auch Pate, als man sich dem Gletscherausbau und damit dem Massentourismus verweigerte. Dafür kann man ihn, den Gletscher, hier anrufen. Calling the Glacier heißt das Kunstprojekt von Kalle Laar. Der Vernagtferner in den Ötztaler Alpen gibt live Auskunft über seine Befindlichkeit.
In Galtür lebt das Wissen um die Besonderheit dieser Alpenpflanze.
Schon seit Menschengedenken wir in Galtür Enzian gegraben. In einem Pachtvertrag aus dem Jahre 1705 wird das Recht
zum Graben von Enzianwurzen in der Alpe Tschiffanella (Großvermunt) eigens erwähnt. Im Jahr 1992 musste die Gemeinde
Galtür bis zum Verwaltungsgerichtshof gehen, um diese Tradition weiterführen zu dürfen.
Das Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten des gelben, punktierten Enzians ( gentiana punctata) ist seit November
2013 im Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO in Österreich zu finden.
Der echte Galtürer Enzian, auch "Enzner" genannt, wächst auf einer Höhe von 1800 bis 2600 Metern und wird im Herbst,
ab 1. Oktober, gegraben.
13 Galtürer Haushalte werden am Kirchtag ausgelost und dürfen dann je 100kg Wurzen ernten.
Das Grabungsgebiet entweder Jamtal, Larein oder Vermunt ist dann auf dem Los vermerkt.
Auf der Suche …. Nach Arbeit, Abenteuer, nach den Spuren der Vorfahren, nach guten Ideen. Viele Gründe gab es immer schon, den Ort, das Tal zu verlassen – und zurückzukehren. So wie Maurice Mattlé, dessen Enkelin die Reise ihres 90-jährigen in Paris lebenden Großvaters zu den Wurzeln der Familie nach Galtür aufgezeichnet hat. Albert Lorenz nahm als Bergführer Anfang des 20. Jahrhunderts an zwei Kaukasus-Expeditionen teil. Warum ist auf dem Grab von Wilhelm „Bill“ Lang auf Stromboli neben Paris, Berlin und der Antarktis auch Galtür angegeben? Der Wirkungskreis zeigt Erinnerungen, Kurioses, Interessantes.
Im Dunstkreis ist die Welt zu Gast in Galtür. Die beiden Hotels Fluchthorn und Rössle sind als mondäne Herberge einerseits und Traditionsgasthof andererseits Schauplätze dieser Begegnungen zwischen Stadt und Dorf, Außen und Innen. Hier erfährt man, dass Albert Einstein und Erwin Schrödinger gerne Galtürer Luft schnupperten. Oder von der langjährigen Freundschaft zwischen Galtür und der in Tokio lebenden Familie Ohata. Über einzelne Biografien erschließen sich Familienschicksale ebenso wie große Weltgeschichten.
Die Innsbrucker Reise- und Bergmalerin Maria Peters war im Frühjahr 2013 für 3 Wochen in Galtür. Nicht im Hotel, sondern im Zelt stieg sie im geschichtsträchtigen Jamtal ab und malte vor Ort die "Blaue Silvretta". über Werdegang und Ergebnis des stillen Abenteuers berichtet diese Sphäre. (www.maria-peters.at)
Mit dem Oben und Unten beschäftigt sich auch das Orbital, die Wahrscheinlichkeitswolke. Vor Vermessung und Vermarktung der Welt musste erstbestiegen und erobert werden. Alpinisten, wie der Schweizer Johann Jakob Weilemann kletterten nicht nur auf spektakuläre Gipfel (Fluchthorn 1861, Piz Buin 1865), sondern lockten mit ihren spannend beschriebenen Abenteuern immer neue Gäste ins Gebirge. Die große, weite Welt wehte in ein Tal, wo man sich noch in alter Manier an einem traditionellen Bild von Heimat orientierte und lebensgefährliche Schneehöhen durch Vaterglaube und in Holz (statt in Stahl und Beton) beschwor. Und so auch das Vermessen.
In dem voll verspiegelten Raum, der sich ins Unendliche multipliziert, suchen die Besucher nach ihrer eigenen Position und verlieren schon mal ihre physische Stabilität. Die Wirkung des Raumes wird durch eine dreiteilige Klangreise untermalt, die mit dem eigenen Ich beginnt und durch die Geschichte der Welt führt. Die Klänge umschreiben die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der sich anschließend durch die Welt bewegt und final sogar ins Unendliche des Weltalls ausschweift. Wo bin ich? Und Wieviele? Von Galtür in die Unendlichkeit!
Dr. Walter Köck wirkte über drei Jahrzehnte als Arzt im Paznaun. Sein Beruf war geprägt durch das Tal und seine Menschen. Während dieser arbeitsreichen Zeit machte er akribisch Aufzeichnungen und entdeckte seine historischen Fähigkeiten. In der Pension fing er an Bücher zu schreiben und Reden zu halten. Diese archivarische Arbeit spiegelt Walters Blickwinkel auf das Paznaun wider, die geprägt ist vom Interesse an der Kultur, der Landschaft und den Menschen.
In einem eigens erbauten Kinosaal fasziniert ein Film die bis zu 80 Zuschauer „Galtür – Ein Dorf im Gebirge“, so betitelt der Alpinist und Regisseur Lutz Maurer seine Dokumentation über das Lawinenereignis vom 23. Februar 1999. Der Film schildert die Entstehung dieser Naturkatastrophe und gibt einen Einblick, wie dieses Schicksal Galtür und seine Menschen verändert hat. Inmitten der modernsten Technik weht ein Hauch von Nostalgie: die Klappsitze des ehemaligen Galtürer Kinosaales aus den 70-er Jahren kommen hier prächtig zur Geltung.
Am 23. Februar 1999 verloren bei einem Lawinenunglück in Galtür 31 Menschen das Leben. Die Lawine ist in einen, als frei von Naturgefahren geltenden Siedlungsraum vorgedrungen und hat großes Leid angerichtet. Selbst Experten und Wissenschaftler der einschlägigen Fachrichtungen sprechen von einem Jahrtausendereignis. Das Schicksal hat Gäste und Einheimische auf besondere Art und Weise miteinander verbunden. Mit diesem Raum wollen wir dem Vergessen entgegenwirken. Die Geborgenheit der Sitznische gibt einen ganz besonderen Blick auf das von Arthur Salner gestaltete Tryptichon „Memento“ frei. Schmerz, Trauer und Hoffnung verschmelzen in abstrakter Form ineinander.